Laufende Dissertationsprojekte
Rosaria Cioffi:
Neologismen in Zeiten der Coronavirus-Krise: Eine vergleichende Analyse des öffentlichen Diskurses in Italien und Deutschland anhand der Medienberichte
Der Begriff Krise ist in seiner ursprünglichen Bedeutung auch mit einer Idee des Wandels verbunden und die Geschichte lehrt uns, dass in Krisenzeiten sehr oft viele Veränderungen stattfinden können. Die Ausbreitung der neuartigen Coronavirus-Pandemie, die sich als die schwerwiegendste globale Krise nach dem zweiten Weltkrieg herausstellt, betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und hat dabei auch nicht wenige Auswirkungen auf die Sprache.
Im Fokus dieses Dissertationsprojekts steht der lexikalische Sprachwandel, da sich hier die Veränderungen am raschesten und am deutlichsten bemerkbar machen. Das Projekt untersucht und vergleicht Neologismen in deutschen und italienischen Medienberichterstattungen und auch generell Berichte über die Pandemie und zielt darauf ab, Antworten auf die Frage zu finden, wie die Coronavirus-Pandemie unseren allgemeinen Sprachgebrauch beeinflusst.
Im Detail wird versucht zu bestimmen, wie die Corona-Pandemie unseren Wortschatz im Hinblick auf die beiden Sprachen Deutsch und Italienisch verändert: Warum werden unter bestimmten sprachexternen Bedingungen neue Wörter gebildet? Welche Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung werden gewählt und warum? Welche Rolle spielt die englische Sprache, die sehr oft die Ausgangssprache für übernommene Fremdwörter ist?
Um die gestellten Fragen zu beantworten, wird für jede der untersuchten Sprachen einen Korpus von Neologismen erstellt, der aus Beispielen aus den wichtigsten italienischen und deutschen Zeitungen, Zeitschriften und sozialen Medien (Profile von Politiker/-innen, Virolog/-innen, Kolumnist/-innen) und aus den Reden an die Nation betreffend die Corona-Krise des italienischen Ministerpräsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin im Zeitraum des Jahres 2020 besteht.
Basierend auf den handlungstheoretisch orientierten Sprachwandeltheorien (Invisible-hand-Theorie von Rudi Keller und synergetische Theorie von R. Köhler) wird der erstellte Korpus einer qualitativen und quantitativen Analyse hinsichtlich der Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung (Neubedeutungen, Übernahme fremder Wörter und spezifischer Fachbegriffe, Wortbildung, Kunstwörter) und der relativen Gebrauchsfunktionen in den einzelnen zum Vergleich ausgewählten Texten unterzogen werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Prozess der Wortbildung bei der Entstehung von Neologismen gelegt wird. Der Fokus liegt dabei auf der Semantik und Morphologie und ist auf die Auswirkungen der kommunikativen Sprecherabsichten auf die Struktur der Wörter gerichtet.
Der äußere Bezugspunkt von zwei unterschiedlichen Sprachen (und Kulturen) erlaubt eine tiefere Analyse des hier untersuchten sprachlichen Phänomens nicht nur von einem formalen und strukturellen Standpunkt aus, sondern auch unter einer funktionellen Perspektive, die auf den gemeinsamen kommunikativen Bedürfnissen beruht.
Lisa Hartley, Class of Language, LMU:
The effect of gender on baby talk: Comparison of the speech addressed to male and female infants
Psycholinguist/innen erforschen den Sprachstil von Erwachsenen, wenn sie mit kleinen Kindern und Babys reden, auch bezogen auf mögliche Auswirkungen auf den Spracherwerb. Dieser Sprachstil (Baby Talk, motherese) ist u.a. durch eine höhere Stimmlage, einfache Grammatik und einen kindgerechten Wortschatz gekennzeichnet. Das Dissertationsprojekt geht der Frage nach, ob Baby Talk einen Faktor bei der Entwicklung unterschiedlicher Geschlechteridentitäten bedeutet. Daher lautet die These: „Die Interaktion zwischen Eltern und Kindern beeinflusst nicht nur den Spracherwerb, sondern auch die persönliche Identitätsentwicklung.“
Die entsprechenden Analysen werden auf Aufnahmen von Gesprächen zwischen Eltern und vorsprachigen Kindern beruhen. Um die Vergleichbarkeit zu sichern, werden Störfaktoren wie soziale Herkunft, Alter und Entwicklungsstadium der Babys kontrolliert. Im Fokus stehen die Unterschiede im Sprachstil der Eltern, wenn sie mit männlichen oder weiblichen Säuglingen sprechen. Verschiedene Aspekte des Baby Talk werden betrachtet wie zum Beispiel Prosodie, Wortschatz, Grammatik sowie pragmatische Faktoren. Dabei werden zunächst prosodische Merkmale wie die Sprechgeschwindigkeit und die Tonhöhe der Stimme der Erwachsenen gemessen. Es folgt eine Analyse sprachlicher Eigenschaften wie die Wortschatzgröße (z.B. Wortlisten) und -diversität (z.B. Type-Token-Ratio), syntaktische Komplexität (Mean Lenght Unit) und Vollständigkeit. Die daran anschließende pragmatische Untersuchung vergleicht den Anteil der verschiedenen Sprechakte (Frage, Versprechung, Bestätigung, Bitte usw.) zwischen den einzelnen Interaktionspaaren. Schließlich wird die Signifikanz des Geschlechts des Babys bei den gefundenen Ergebnissen statistisch geprüft.
Wenn bereits vor dem Einsetzen produktiver Sprache Unterschiede im sprachlichen Input der Mädchen und Jungen festzustellen sind, wirft das die Frage auf, ob dies Faktoren sind, die zu unterschiedlichen Geschlechteridentitätsentwicklungen führen können.
Marie Heinze:
Zugänge zum mentalen Lexikon in unterschiedlichen Schrift- und Sprachtypen auf Basis neuro- und psycholinguistischer Untersuchungen
Aline Kodantke:
Studien zur Lautsymbolik
Miriam Kretschmann:
Morphologische Entwicklungen vom Urgermanischen zu den germanischen Sprachen
Die urgermanische Sprache wird auf etwa 1000 v. Chr. datiert. Schriftliche Zeugnisse der Sprache gibt es nicht. Die Wortformen und ihre Grammatik wurden aber anhand ihrer Tochtersprachen rekonstruiert. Durch Völkerwanderungen entstanden im Laufe der Zeit verschiedene germanische Stämme mit ihren eigenen Sprachen. Zu den germanischen Sprachen zählen Gotisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch, Dänisch, Schwedisch, Englisch, Niederländisch, Deutsch und Friesisch.
Das Urgermanische weist eine sehr ausgeprägte Morphologie mit vielen verschiedenen Kategorien und Flexionsendungen auf. Auf dem Weg zu den heutigen germanischen Sprachen gab es jedoch einige morphologische Reduzierungen und häufig einen Wechsel von der synthetischen Bildungsweise zur analytischen Bildungsweise. Wie weit diese Reduzierungen gehen, ob sie bis heute andauern und eventuell sogar noch weitergehen, soll in einer sprachvergleichenden, morphologischen Analyse untersucht werden.
Danyue Liang:
Verblose Direktive im Deutschen
Verblose Direktive mit dem Bildungsschema – Richtungsadverb / direktionale PP + PPmit (raus/aus dem Haus mit dem Koffer) können einerseits nicht als Ellipsen verstanden, andererseits nicht auf wohlgeformte finite Sätze zurückgeführt werden. Die germanistische Linguistik erwähnt sie bisher kaum. In der IDS-Grammatik (Zifonun 1997) fehlen sie. Die Dudengrammatik fasst sie anhand eines einzigen Beispiels (Hinaus mit dir!) als ,,eigenständige satzwertige Ausdrücke" auf (Duden-Grammatik 2006: 894). Die Frage, wie sich die syntaktische Struktur verbloser Direktive sowie deren semantische Interpretation beschreiben lässt, wurde in den bisherigen Forschungsansätzen (Jacobs 2008, Wilder 2008, Müller 2011, Fortmann 2015) ausgehend von verschiedenen Analyserichtungen in den letzten Jahren diskutiert, ohne zu einem Konsens zu führen.
Dieses Promotionsprojekt betrachtet die verblosen Direktive aus einer neuen Perspektive und möchte verschiedene Fragen beantworten: Wie können solche Ausdrücke analysiert werden.
Ranran Liu, CSC-Stipendiatin:
Deutsche und chinesische Farbwörter und deren Phraseologismen im Vergleich aus lexikologischer und lexikographischer Sicht
Der Begriff Farbe gilt in vielen Bereichen – so zum Beispiel in der Werbung und verschiedenen künstlerischen Bereichen, in der Psychologie-, Kultur- und Sprachforschung – als überaus wichtiges Forschungsthema. Jede Kultursprache besitzt einen großen Wortschatz in Bezug auf Farben, so auch das Deutsche und das Chinesische. Dabei stimmen die Farbbezeichnungen für die gleichen Farben nicht immer überein, weil die Farbwörter in beiden Ländern bzw. Sprachen unterschiedlich emotional und kulturell aufgeladen sind. Auf dieser Ebene sind daher Studien durchaus sinnvoll.
Das phraseologische Feld Farbe im Deutschen und Chinesischen wird auf der Basis von Wörterbüchern in Bezug auf Farbwörter, Farb-Phraseologismen, Farbsymbolik sowie Farbidiomatik genau untersucht. Bezogen auf die grundlegende Farbterminologie zwischen Sprachen und Kulturen legen Berlin und Kay nahe, dass es zwischen den Kulturen eine Hierarchie grundlegender Farbterminologien gibt. Wenn beispielsweise eine Kultur zwei Farbtermini hat, sind dies die Begriffe für schwarz und weiß, wenn drei, schwarz, weiß und rot und so weiter bis zu elf solcher Begriffe. Die Grundfarbwörter im Chinesischen sind hei (‚schwarz'), bai (‚weiß'), hong (‚rot'), huang (‚gelb'), lan (‚blau'), und lv (‚grün') (Berlin & Kay 1969: 4-45). Deswegen wurden für diese Untersuchung diese sechs Farben zur Analyse ausgewählt.
Fragen, die dem von mir angestrebten Promotionsprojekt zugrunde liegen und die es zu beantworten gilt, sind: Wie unterscheiden sich die chinesischen und deutschen Farbwörter in sprachlicher und kultureller Hinsicht? Welche Übereinstimmungen und Unterschiede der Farbphraseologismen sind zwischen dem Deutschen und Chinesischen festzustellen? Welche Übersetzungsmethoden und -strategien sind zu empfehlen? Welche Code-Switching- und weitere Sprachkontaktphänomene in Bezug auf Farbwörter entstehen in Dialogen zwischen mehrsprachigen chinesisch Studierenden in Deutschland?
Diese Arbeit will anhand eines selbsterstellten Datenkorpus Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Sprachen insbesondere im Hinblick auf diese Farbphraseologismen aufzeigen und die dahinterstehenden Kulturspezifika erläutern, um letztendlich Deutsch lernenden Chines/innen den Umgang mit deutschen Phraseologismen zu erleichtern und so die deutsche Sprache und Kultur besser kennenzulernen und deutschen Muttersprachler/innen einen ersten Einblick in die Welt chinesischer Redensarten und der dazugehörigen Kultur zu gewähren insbesondere, da für den Erwerb dieser Phraseologismen bisher kaum systematisch ausgearbeiteten Lehr- und Lernwerke existieren (Chang 2003: 304).
Daniela Nuschele:
Untersuchung zum Einfluss des Faktors Geschlecht auf die Kommunikation zwischen Ärzt/innen und Patient/innen
Eine gelungene Kommunikation zwischen Ärzt/in und Patient/in stellt eine wesentliche Komponente für einen erfolgreichen Behandlungshergang dar. Bisher wenig untersucht ist in diesem Kontext der Zusammenhang zwischen dem Gelingen eines solchen Gespräches und dem Geschlecht der beteiligten Parteien. Diesem Aspekt wurde in der Forschung noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt; so existieren bisher im Wesentlichen dazu nur einige wenige englischsprachige Arbeiten. Aus diesen Studien geht hervor, dass das Geschlecht beider Parteien als eine bedeutende Variable für das Gelingen der A-P-Kommunikation anzusehen ist. Es konnte gezeigt werden, dass der geschlechtstypische Gesprächsstil auch im Gespräch zwischen Ärzt/in und Patient/in wiederzufinden ist. Beispielsweise verfügen Ärztinnen über einen mehr patientenorientierten Gesprächsstil (emotional und partnerschaftlich) als ihre männlichen Kollegen und nehmen sich auch im Schnitt mehr Zeit für ihre Patient/innen (Roter/Hall/Aoki). All diese Faktoren wiederum wirken sich auf die Patientenzufriedenheit und somit auch auf den Krankheitsverlauf aus. Weiterhin verhalten sich Patient/innen je nach dem Geschlecht der Mediziner/innen im Gespräch anders und geben jeweils andere Informationen über sich preis (Hall/Roter). Die Diagnose der Ärzt/innen konnte je nach Geschlecht der Patient/innen auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden (Martin/Gordon/Lounsbury). Außerdem verliefen die A-P-Gespräche je nach Geschlechterzusammensetzung unterschiedlich erfolgreich (Zaharias/Piterman/Liddell). Diese Ergebnisse machen deutlich, dass das Geschlecht bei der Kommunikation einen nicht zu vernachlässigenden Faktor darstellt.
Da diese Arbeiten schon älteren Datums sind und gerade jetzt die Gender-Thematik von großem Interesse ist, zudem auch immer mehr Ärztinnen dieses ehemals männlich dominierte Berufsfeld für sich entdecken, wäre es von Nöten, eine ähnliche Studie für den deutschsprachigen Raum durchzuführen. Aus diesen Ergebnissen könnten sodann Empfehlungen für die Praxis abgeleitet werden, um zu einer erfolgreichen A-P-Kommunikation beizutragen.
Tamara Schwarz:
Wähleransprache im Wahlkampf Vergleich der Social Media Nutzung und Kommunikation der Kanzlerkandidat/innen im Bundestagswahlkampf 2017
Was entscheidet über Sieg und Niederlage in der Politik? Und in wie weit nimmt die individuelle Sprache eines Politikers / einer Politikerin Einfluss auf seinen / ihren Erfolg? Wie gelingt es, im Wahlkampf Wähler/innen anzusprechen und welche Kommunikationsstrategien tragen dazu bei? Wie werden die sozialen Medien hierfür genutzt?
Am Beispiel des Wahlkampfs zur deutschen Bundestagswahl 2017 soll auf linguistischer Ebene untersucht werden, wie politische Akteur/innen Sprache nutzen, um potenzielle Wähler/innen zu erreichen und wie sie hierfür insbesondere auf den noch recht jungen Kommunikationskanal Social Media zurückgreifen. Dazu wurden stellvertretend die Kanzlerkandidat/innen der Parteien SPD (Martin Schulz), FDP (Christian Lindner) und AfD (Alice Weidel) ausgewählt und ein umfassendes Korpus, bestehend aus deren jeweiliger Kommunikation auf den Kanälen Facebook und Twitter, gebildet. Der Untersuchungszeitraum konzentriert sich auf die sogenannte heiße Phase des Wahlkampfs von 7. Juli bis 24. September 2017.
Bei der Analyse des Korpusmaterials gilt es nicht nur, das generelle Ausmaß der Verwendung von Social Media zu untersuchen, sondern auch das für die jeweiligen Kanzlerkandidat/innen typische Kommunikations- beziehungsweise Sprachverhalten zu klären und den Grad der Professionalisierung bei der Social-Media-Kommunikation zu ermitteln. Zudem sollen Rückschlüsse vom kommunikativen Verhalten der jeweiligen Kandidat/innen auf das Ergebnis der Wahl getroffen und Vergleiche zwischen den Parteien gezogen werden. Dazu wird der Schwerpunkt der Analyse auf dem individuellen kommunikativen Rollenverhalten sowie sprachlichen Mitteln der Wähleransprache und -gewinnung wie beispielsweise dem Einsatz von Emotionalität, aber auch Mittel der Persuasion beziehungsweise Manipulation liegen.
Julia Wanner:
Eine qualitative und quantitative Analyse englischer Entlehnungen in deutschen Pressetexten von 1946-2016
Gesellschaftliche, technische, wirtschaftliche und politische Gegebenheiten beeinflussen die Entwicklung von Anglizismen im Deutschen. Der Brexit und die Präsidentschaft Trumps könnten also beispielsweise den Gebrauch von Anglizismen in deutschen Texten der Zukunft verändern. Davon sind die Qualität und möglicherweise auch die Quantität des englischen Lehnguts betroffen.
Mit Hilfe einer umfangreichen diachronen Erhebung entsteht ein Korpus englischen Lehnguts, das Hinweise auf Zusammenhänge zwischen dem Gebrauch von Anglizismen im Deutschen und außersprachlichen zeitgeschichtlichen Ereignissen der letzten 70 Jahre gibt. Untersuchungsgegenstand sind jährlich je vier Exemplare der „Zeit“ (insgesamt 280 Exemplare von 1946-2016). Der Fokus der qualitativen Analyse liegt auf der Semantik und diachronen Entwicklung englischen Lehnguts in deutschen Texten. Deutsche Flexion, Wortbildung und Graphostilistik können dabei Aufschluss über die Integration von Lehngut im Deutschen geben. Das Lexem trainieren zum Beispiel ist phonetisch und morphologisch an das Deutsche angepasst und hochfrequent im Sprachgebrauch, während „displaced persons“ (Begriff der alliierten Kräfte in Deutschland für eine kriegsbedingt nicht in der Heimat befindliche Zivilperson) in der Ausgabe 26/1946 dreimal genannt wird und anschließend nicht mehr erscheint. Den Prozess von Integration und Exklusion einzelner Anglizismen erklärt die Dissertation mit Hilfe der Invisible-Hand-Theorie. Die weitreichende diachrone Betrachtung liefert potenziell Muster für Korrelationen von Zeitgeschichte und Sprachentwicklung und somit Anhaltspunkte für qualitative und quantitative Tendenzen in der Zukunft.